Persönlichkeit hat viele Facetten, aber sind alle Facetten von gleicher Bedeutung für den beruflichen Erfolg? Und welche Rolle spielt dabei der berufliche Kontext? Dies und mehr erfahren Sie in diesem Artikel
[toc]Persönlichkeit: Big Five – Was ist das?
Die fünf Dimensionen der Persönlichkeit (Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Verträglichkeit und Umgang mit Stress) sind im Bereich der Personalpraxis bereits stark verbreitet. Viele Personaler*innen kennen sich mit dem NEO-PI-R oder ähnlichen Messinstrumenten aus.
Das Feedback an eine*n Mitarbeiter*in im Rahmen der Personalentwicklungsprozesse beinhaltet meist stellenübergreifend die Analyse der übergeordneten Dimensionen. Damit wird jedoch impliziert, dass die Persönlichkeitsmessung für alle Kontexte gilt. Persönlichkeitsdimensionen sind jedoch sehr breit gefasst. Neue Evidenz weist darauf hin, dass die Betrachtung solch breiter Dimensionen im beruflichen Kontext nicht praktikabel ist. Es ist vorteilhafter, untergeordnete Facetten der Persönlichkeit, wie zum Beispiel Aufgabenplanung, direkt im beruflichen Kontext zu messen
Bisher war unklar, wie Persönlichkeitsfacetten auf untergeordneter Ebene berufliche Leistung beeinflussen und welche Rolle dabei die berufliche Situation spielt. In einer Studie wurden Azubis aus vier Berufsgruppen (Laborberufe etc.) untersucht. Die Berufsgruppen spiegelten den unterschiedlichen Charakter einer beruflichen Situation wider. Es wurde angenommen, dass Facetten der Dimensionen Offenheit und Extraversion Ausbildungserfolg im Sinne eines generellen Lernumfelds vorhersagen. Zusätzlich wurde angenommen, dass Facetten der Dimensionen Gewissenhaftigkeit, Extraversion und Offenheit Ausbildungserfolg im Sinne beruflicher Anforderungen und spezifischer Lerninhalte vorhersagen. Ausbildungserfolg wurde durch Vorgesetzte erfasst, die Lernkriterien der Azubis bewerteten, was in der psychologischen Praxis ein gängiges Kriterium ist.
Persönlichkeitsmerkmale: Wie wirken sie sich im beruflichen Kontext aus?

Die Studie offenbarte, dass je nach beruflichem Kontext unterschiedliche Persönlichkeitsfacetten aktiviert werden. Auf genereller Ebene hatten einzelne Facetten einen stärkeren Zusammenhang mit Ausbildungserfolg als deren zugehörige Dimensionen. Lediglich vier Facetten (Pflichtbewusstsein, Besonnenheit, Offenheit für Fantasie und Offenheit für Ideen) konnten den Ausbildungserfolg im Sinne eines generellen Lernumfelds vorhersagen. Insgesamt zeigte sich, dass keine einzige Facette den Ausbildungserfolg im Sinne beruflicher Anforderungen und spezifischer Lerninhalte vorhersagte. Bei Laborberufen standen beispielsweise höhere Werte der Facetten Aktivität, Offenheit für Ideen, Ehrlichkeit und Pflichtbewusstsein in Zusammenhang mit besserem Ausbildungserfolg.
Zusammenfassend stellte sich heraus, dass Facetten der Dimensionen Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit und Offenheit Ausbildungserfolg im Sinne beruflicher Anforderungen und spezifischer Lerninhalte vorhersagten. Extraversionsfacetten spielten hier jedoch entgegen der Annahmen keine Rolle.
Was bedeutet das konkret? Im Büro fühlen sich beispielsweise Personen, die negative Gefühle stärker verspüren nicht wohl, während sich aktive Personen im Labor dagegen wohl fühlen. Interessanterweise hatten die Facetten Offenheit für Fantasie und Besonnenheit einen leistungsmindernden Charakter, da Personen mit hohen Werten dazu neigen in Gedanken zu versinken, statt zu handeln und ihre Aufgaben anzupacken. Weiterhin kann eine extravertierte Person im Gruppenkontext dazu verleitet werden viel zu reden was sich ebenfalls leistungsmindernd auswirken kann (Ziegler et al., 2014).
Diese Ergebnisse stammen aus einer Untersuchung im Ausbildungskontext, sind jedoch auf Grund der Ähnlichkeit der Situationen übertragbar auf den beruflichen Kontext. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, Persönlichkeitsfacetten bei der Vorhersage von Ausbildungs- und Berufserfolg sowie anderen beruflichen Kriterien zu berücksichtigen.
Persönlichkeitstest: Gibt es ein zuverlässiges Verfahren um Persönlichkeit differenziert im beruflichen Kontext zu messen?

The ROC Institute bietet für dieses Problem eine zeitgemäße Lösung an. Mit dem Big-5-Navigator (B5N) lässt sich ein Abbild der Persönlichkeitseigenschaften im beruflichen Kontext dadurch realisieren, dass neben den fünf übergeordneten Dimensionen auch 42 hierarchisch untergeordnete Persönlichkeitsfacetten berücksichtigt werden. Die Aussagen sind so formuliert, dass sie den beruflichen Kontext direkt wiederspiegeln.
Das Verfahren bietet zudem die verfälschungssichere Messung durch die Anwendung der Forced Choice Methode an. Die Darstellung der Items erfolgt nicht einzeln und in Form einer anzukreuzenden Skala, sondern bei diesem Ansatz werden vier Items gleichzeitig dargestellt. Die Items wurden hinsichtlich der sozialen Erwünschtheit kontrolliert und die/der Bewerbende soll sich für das Item entscheiden, das am meisten und das Item, das am wenigsten zutrifft. Diese Form der Itemdarstellung erfordert ein hohes Maß an Selbstreflexion und verhindert sozial erwünschte Antworten. Außerdem werden auch Antworttendenzen (Tendenz zur Mitte, Milde- oder Härtetendenz) kontrolliert. Das verfälschungssichere Messverfahren ist gut integrierbar in bestehende Personalauswahl- und Personalentwicklungsprozesse.
Die Vorteile des B5N sind die Gestaltung eines fairen Auswahlprozesses, denn jede*r Bewerbende erhält ein ausführliches Feedback über die individuellen Persönlichkeitsfacetten und nur die/der Bewerbende die tatsächlich geeignet sind, werden eingestellt.
Quellen
Ziegler, M., Bensch, D., Maaß, U., Schachler geb. Schult, V., Vogel, M. & Buehner, M. (2014). Big Five facets as predictor of job training performance: The role of specific job demands. Learning and Individual Differences, 29. 1–7.