Es ist eigentlich eine spannende Zeit, um im Bereich Human Resources zu arbeiten. Administrative Aufgaben, wie die Urlaubsplanung und die Gehaltsabrechnung können mithilfe einer Software-Lösung einfach, kosten- und zeitsparend bearbeitet werden. Die HR wird mehr und mehr zum wichtigsten strategischen Player des Unternehmens. Der Faktor Mensch steht zentraler im Blickfeld der Unternehmen, Stakeholder, der Forschung und Medien denn je zuvor. Die Wirtschaft wächst, neue Positionen und neue Incentives, weg vom Firmenwagen hin zu flexiblen Arbeitszeitmodellen, Sabbaticals und Social Impact werden geschaffen. Eigentlich!
[toc]Human Resources: das Problem bei der Auswahl
Denn die aktuelle Realität für viele HR-Abteilungen ist, dass viele offene Positionen auf gut ausgebildete Kandidat*innen warten. Egal, ob das Unternehmen viele oder wenige Bewerbungen bekommt, das Problem ist meistens dasselbe: die Qualität der Bewerbenden und deren Überprüfung.
Erhält das Unternehmen nur wenige Bewerbungen, nimmt es, was es bekommt oder zögert den Einstellungsprozess weiter hinaus, was Risiken wie schlechte Arbeitsprozesse, unzufriedene Mitarbeitende und Kundschaft und letztlich hohe Fluktuation, ein schlechtes Image und hohe Kosten mit sich bringen kann. Bekommt das Unternehmen viele Bewerbungen, müssen diese ausreichend überprüft werden. Auch das kostet Zeit und Geld. Allerdings geschehen genau hier häufig schwerwiegende und weitreichende Fehler. Häufig werden die internen und externen Bewerbenden nach subjektiven oder wenig validen Kriterien bemessen.
So liegt der Fokus rein auf der Betrachtung des Lebenslaufs oder anderen Hard Skills oder es entscheidet gar das Vitamin B und der Nasenfaktor über die künftige Zusammenarbeit. Nicht nur Studien (z.B. Schmidt & Hunter, 1998; Schmidt, Oh, & Shaffer, 2016), sondern auch Praxiserfahrungen zeigen, dass gerade ein solches Vorgehen wenig erfolgsversprechend bzw. unzureichend ist. Stattdessen braucht es moderne, wissenschaftlich entwickelte Prozesse, die nicht nur fair sind (und damit die Candidate Experience steigern), sondern auch zuverlässig Potentiale identifizieren. Ist solch ein/e Potentialträger*in erst einmal erkannt und der richtigen Position zugeordnet, heißt es, ihn/sie stetig weiterzuentwickeln und den Personen-Job-Fit sowie die Leistung zu monitoren.
Dies wird Führungskräften angehaftet, die aufgrund fehlender Zeit und mangelnden HR-Wissens Personalentwicklung auf das „halbjährliche Mitarbeitergespräch“ mit wenig Nachwirkung reduzieren. Auch hier wird ein Tool benötigt, das Zeit reduziert, Wissen liefert, transparent und anpassbar ist und den Job der Personaler*innen und der Führungskräfte erleichtert.
Effizienz in der HR-Abteilung
Im Zeitalter von Big Data und Digitalisierungsprozessen kann deswegen auch im Personalwesen nicht länger auf Fortschrittlichkeit und die Standardisierung von z.B. Bewerbungs- und Entwicklungsprozessen verzichtet werden. Es haben sich bereits viele Anbieter*innen auf dem Markt etabliert und die Auswahl fällt schwer.
Aus diesem Grund ist es hilfreich, einige Qualitätskriterien zu (er)kennen. Die Entwicklung des Verfahrens sollte nachvollziehbar und einforderbar sein. Dem Testmanual lassen sich auch Informationen zu dem zugrunde liegenden Modell/der zugrunde liegenden Theorie entnehmen. Generell gilt besonders bei alten Modellen und Theorien Vorsicht.
Oder würden Sie sich gern einer Zahn-OP mit den Geräten und Methoden des frühen 20. Jahrhunderts unterziehen? Darüber hinaus geben die psychometrischen Gütekriterien Objektivität, Reliabilität und Validität darüber Auskunft, ob das Verfahren weitestgehend robust gegenüber Verzerrungen und Einflüssen ist, wie messgenau es ist und ob tatsächlich das gemessen wird, was das Verfahren angibt zu messen. Weiterhin ist entscheidend, wie groß und repräsentativ die Gruppe ist, an der das Verfahren normiert wurde – die sogenannte Normstichprobe.
Hier gibt es keine Daumenregel, jedoch sind Normierungen mit weniger als 100 Personen als kritisch und kontextspezifisch zu betrachten. Häufig wird auch die Fragetechnik an sich unterschätzt. Ein beliebtes Format sind z.B. Ratingskalen (Beispiel: Schätzen Sie die Aussage „Ich komme immer pünktlich zur Arbeit.“ ein: 1 – trifft zu, 2- trifft eher zu, 3 – teils-teils, 4 – trifft eher nicht zu, 5 – trifft nicht zu). Hier können allgemeine Antworttendenzen sowie soziale Erwünschtheit die Ergebnisse verzerren.
Die wichtigste Frage bleibt jedoch, welches Konstrukt gewählt wurde, um das Kriterium (z.B. Berufserfolg) zu messen. Gerade im Bereich der Personalauswahl sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. So werden in den abstrusesten Fällen sogar die Handschrift (Graphologie) oder die Länge der Ohren (Physiognomie) als Anhaltspunkt genutzt, um auf Leistung zu schließen. Häufiger sind jedoch Arbeitsproben, die Messung des Intelligenzquotienten, der Motive oder der Persönlichkeit.
Wie erkenne ich ein gutes Verfahren?
- Fragen Sie nach dem Testmanual.
- Überprüfen Sie das zugrunde liegende Modell (Aus welchem Jahr stammt es? Wer hat es entwickelt?).
- Betrachten Sie die psychometrischen Gütekriterien.
- Achten Sie auf die Normstichprobe.
- Überprüfen Sie, ob die soziale Erwünschtheit kontrolliert wird.
- Ziehen Sie das Konstrukt in den Entscheidungsprozess mit ein.
Human Recources: Lösungen mit Wissenschaft
Auf Basis der Ausgangsproblematik und unter Berücksichtigung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Standards entstand in Kooperation mit der Arbeitseinheit „Psychologische Diagnostik“ des Instituts für Psychologie der Humboldt-Universität zu Berlin das Kompetenzmessverfahren, der Great-8-Tachometer (G8T).
Dieses lässt sich flexibel in der Personalauswahl, Personalentwicklung und darüber hinaus einsetzen. Der G8T hat als Messziel berufserfolgsrelevante Verhaltensweisen, die das Ergebnis multikausal determinierter, individueller Lernprozesse sind. Er basiert auf dem generischen Kompetenzrahmenmodell der „Great Eight“ von Kurz und Bartram (2002).
Die Normstichprobe setzt sich aus 531 Führungskräften zusammen. Das Verfahren differenziert deshalb vor allem Kompetenzen höherer Management- und Führungsebenen. Aufgrund der Befragungsmethodik (Forced-Choice-Format) können Verfälschungen entgegengewirkt und reflektierte Aussagen zu einem umfassenden Selbstbild integriert werden. Berufliche Kompetenzen können Berufserfolg valide vorhersagen, da sie per Definition bereits verschiedene Aspekte, wie Fähigkeiten, Fertigkeiten, Wissen, Persönlichkeit und Erfahrung vereinen.
Auf dieser Basis können Personalauswahlprozesse nicht nur zeit- und kostensparender durchlaufen werden. Es können auch die positive Wahrnehmung des Unternehmens und die Arbeitszufriedenheit gefördert und Fluktuation entgegengewirkt werden (Cohen-Charash & Spector, 2001; Hausknecht, Day, & Thomas, 2004; Blickle, 2011).
Einige unserer Berichtsformen beinhalten ein hohes Maß an Interpretation (z.B. Stärken und Risiken hinsichtlich Führung, Team und Lernen) und können so, ohne aufwendige Wissensaneignung, Führungskräfte im Auswahl- und Entwicklungsprozess unterstützen. Nicht zuletzt verbessert der Einsatz unseres standardisierten Verfahrens das Employer Branding und die Candidate Experience durch faire, schnelle Prozesse, die auch der befragten Person und ihrer eigenen Reflexion dienlich sind.
Quellen
Blickle, G. (2011). Personalauswahl. In F. W. Nerdinger, G. Blickle, & N. Schaper (Eds.), Arbeits- und Organisationspsychologie (Lehrbuch mit Online-Materialien) (pp. 225-252). Berlin, Heidelberg: Springer.
Cohen-Charash, Y., & Spector, P. E. (2001). The role of justice in organizations: A meta-analysis. Organizational behavior and human decision processes, 86(2), 278-321.
Hausknecht, J. P., Day, D. V., & Thomas, S. C. (2004). Applicant reactions to selection procedures: An updated model and meta‐analysis. Personnel psychology, 57(3), 639-683.
Schmidt, F. L., & Hunter, J. E. (1998). The validity and utility of selection methods in personnel psychology: Practical and theoretical implications of 85 years of research findings. Psychological bulletin, 124(2), 262-274.
Schmidt, F. L., Oh, I. S., & Shaffer, J. A. (2016). The Validity and Utility of Selection Methods in Personnel Psychology: Practical and Theoretical Implications of 100 Years… Fox School of Business Research Paper.